Kultur isst Strategie zum Frühstück …

Meine Führungstrilogie – dritter Teil «Psychologische Sicherheit»

Mein Credo beruht auf dem Grundsatz, dass gute Führung trotz der Vielfalt wertvoller Ansätze und Ratschlägen über Führungsstile keine Raketenwissenschaft ist. Am Ende des Tages müssen im Grunde «nur» drei Aspekte erfüllt sein, um erfolgreich zu sein. Klar, kommt noch vieles dazu, aber wenn dieses «Gerüst» steht, kann eigentlich nichts schiefgehen:

  1. Ein gemeinsames Ziel (Sinn, Mission, Positionierung) mit dem sich alle im Führungsteam identifizieren und für das es sich einzusetzen lohnt.  
     
  2. Diversität im Team, erstens in Bezug auf Kernkompetenzen und Fähigkeiten, zweitens bezüglich Persönlichkeit und Charaktereigenschaften und drittens hinsichtlich äusserer Merkmale wie Geschlecht, Alter, Nationalität usw. Und das alles eingebettet in den Unternehmenskontext, um die Grundlage für einen wirklich nachhaltigen Ansatz zu schaffen.
     
  3. Psychologische Sicherheit, also ein kulturelles Umfeld, in dem jeder sich selbst sein kann, sich einbringt, offen seine Meinung äussert, sich und sein Team kennt, bei dem «die Masken gefallen sind» und man einander so nimmt, wie man ist.

Im ersten Teil meiner Führungstrilogie ging es um ein gemeinsames zukunftsfähiges Ziel, im zweitun um Diversität im Team, das Führungsinstrument, das die Grundlage für echte Nachhaltigkeit bildet, und hier im dritten widme ich mich dem Punkt «psychologische Sicherheit», die gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung und New Work stärker als je in den Fokus rücken müsste.

Peter Drucker über die «Kultur, die Strategie zum Frühstück isst»

«Kultur isst Strategie zum Frühstück» ist ein perfekter Titel zum Thema Psychologische Sicherheit und wird zudem Peter Drucker, einem der wichtigsten und ebenso unabhängigen wie originellen Businessvordenker des 20. Jahrhunderts, zugeschrieben. Ich benutze ihn, obwohl das von ihm gegründete Drucker-Institut, das seine Ideen und Ideale weiterträgt, dies als sein «vielleicht beständigstes falsches Zitat» bezeichnet, das zwar «griffig seine Warnung an Manager vor der Beständigkeit der Kultur wiedergibt», das er aber so nie gemacht hat. Er sei der Ansicht gewesen, dass die Kultur für die Aufrechterhaltung organisatorischer und gesellschaftlicher Werte unerlässlich sei, habe aber nie bedingungslos behauptet, dass sie jeden Versuch, sie zu verändern, zunichtemacht. Richtig zitiert habe er gesagt «Kultur – egal wie sie definiert wird – ist einzigartig hartnäckig».

Wie dem auch sei, die Kernbotschaft ist klar: eine Strategie, die die Unternehmungskultur nicht widerspiegelt und nicht in ihr eingebettet ist, wird scheitern. Oder positiv formuliert, eine starke Unternehmenskultur hat die Kraft, eine falsche Strategie im Keim zu ersticken. Ich habe 30 Jahre lang in einem Unternehmen gearbeitet, das stark von der Kultur seines Gründers geprägt war, und kann das vollumfänglich bestätigen. Ich habe einige Manager kommen und gehen sehen, die sogenannte «heilige Kühe» schlachten wollten und grandios gescheitert sind. Unwissentlich bin ich selbst auch einmal an solch einer «heiligen Kuh» aufgelaufen, aber darum soll es hier nicht gehen.

Psychologische Sicherheit ist ein kultureller, weicher Faktor

Wenn wir über «psychologische Sicherheit» reden, gilt es zunächst festzuhalten, dass es sich um einen weichen Faktor handelt, also um etwas, dass Teil der Unternehmenskultur ist, oder eben nicht. Es ist keine messbare Grösse und keine Massnahme, die man anordnen kann. Dementsprechend schwierig ist es, sie einzuführen und wichtig, sie zu pflegen, aufrechtzuerhalten und gegen deren Missbrauch zu schützen. Wie man psychologische Sicherheit bewerkstelligt, darauf möchte ich hier nicht eingehen. Es gibt fundierte Bücher, allen voran «Die angstfreie Organisation» der Harvard Professorin Amy C. Edmondson und «Die vier Stufen der psychologischen Sicherheit» von Timothy R, Clark, dem Gründer und CEO von LeaderFactor, darüber hinaus zahlreiche Coaches und Berater, und das Internet ist voll von Ratgebern und Tipps. Mir geht es darum, was es ist, was es bedeutet und warum es gerade in der heutigen Zeit der digitalen Revolution von derart entscheidender Bedeutung ist.

Über die Geborgenheit, das sagen zu können, was man denkt   

«Ein Umfeld, in dem sich jeder traut, sich einzubringen und sein Bestes zu geben» so definiert Amy Edmondson psychologische Sicherheit. Timothy Clark nennt es «die Fähigkeit, Ideen, Fragen und Bedenken ohne Angst vor persönlichen Auswirkungen zu teilen». Aus meiner bescheidenen Sicht sind das eher Minimalversionen. Noch besser wäre es, nicht nur angstfrei sagen zu können, was man denkt, sondern dazu ermuntert zu werden, es nicht auf die verbale Ebene zu beschränken und ein Umfeld anzustreben, in dem alle «so sein können, wie sie sind», das wäre sozusagen die Königsklasse. Aber aus Führungssicht geht es in erster Linie sicherlich darum, die Barrieren abzubauen, welche eine angstfreie Kommunikation verhindern. Gemäss Timothy Clark geht es dabei um diese vier Aspekte, welche ich meiner eigenen «Königsklassendefinition» beifüge:

  1. Integration – «dafür sorgen, dass sich die Teammitglieder von Anfang an bedingungslos einbezogen fühlen». Meine Königsklassendefinition dazu: Die Masken sind gefallen, im Team kennt man die Stärken und Schwächen untereinander, und man akzeptiert sich so, wie man ist.
     
  2. Lernen – «ein Umfeld schaffen, in dem Fehler nicht nur akzeptiert, sondern auch belohnt werden». Meine Königsklassendefinition dazu: Ein Fehler wird nicht nur anerkannt, sondern zusammen mit der Erkenntnis mitgeteilt, etwas herausgefunden zu haben, das nicht funktioniert.  
     
  3. Mitarbeiter – «dein Team kennenzulernen und deine KollegInnen zu ermutigen, über ihre Rolle hinaus zu denken». Meine Königsklassendefinition dazu: Alle im Führungsteam nehmen zwei Rollen wahr. Sie führen erstens ihren Bereich und tragen zweitens gewissenhaft zum grossen Ganzen bei.
     
  4. Herausforderer – «diese unterstützen und so die Demokratisierung der Innovation stärken». Meine Königsklassendefinition dazu: Herausforderer werden nicht bekämpft, sondern früh ins Boot geholt, weil sie offensichtlich Energie und deshalb Interesse und Wissen zu diesem Thema haben.

Psychologische Sicherheit, die Digitalisierung und New Work

Die Digitalisierung und die technologiegetriebene Umgestaltung der Arbeitswelt ist strukturell und schreitet schon seit Jahren voran. KI, die künstliche Intelligenz, hat eine nächste Phase eingeläutet und das Metaverse ist überdeutlich am Horizont sichtbar. Gross angelegte und langfristige Studien vom World Economic Forum über die «Zukunft der Arbeit» zeigen unter anderem folgende Trends:

  • Der Anteil der maschinell ausgeführten Aufgaben wächst von Jahr zu Jahr signifikant.
  • Neue Technologien sind der grösste Treiber für die Schaffung als auch für die Verdrängung von Arbeitsplätzen, wobei der Nettoeffekt positiv ist.
  • Die am meisten wachsenden Bereiche sind technologiebezogen, die am meisten betroffenen sind Büro- und Sekretariatsberufe.
  • Lokale Qualifikationsdefizite, die Unfähigkeit, Talente anzuziehen, und gesetzliche Rahmenbedingungen sind die grössten Hindernisse für die Umgestaltung der Wirtschaft.
  • Unternehmen investieren in die Ausbildung am Arbeitsplatz, beschleunigen die Automatisierung, und schulen vorhandenes Personal von abnehmenden auf wachsende Bereiche um.  

Zwei Sachen sind klar: Erstens werden Unternehmen sowohl ihre bestehenden MitarbeiterInnen neu qualifizieren als auch, wenn es sich um ein grosses internationales Unternehmen handelt, an Orte ziehen, wo die benötigten Talente verfügbar sind. Und zweitens flacht die strukturelle Umgestaltung der Zukunft der Arbeit nicht ab, ganz im Gegenteil: sie verstärkt sich. Alles in allem ein gewaltiger Umbruch, den es zu meistern und gestalten gilt, mit all seinen Chancen und Gefahren.

Amy Edmondson weist nach, dass es beim jetzigen Tempo des Wandels nicht mehr nur darum geht, effektive Teams zu schaffen, sondern effektive Teamarbeit zu betreiben. Und sie belegt, dass Teams, deren Arbeit innovatives, unkonventionelles Denken erfordert, mit psychologischer Sicherheit besser abschneiden, als Teams, bei denen Angst vor Ablehnung verbreitet sind. Der Grund dafür liegt in der Kommunikation, bei welcher psychologische Sicherheit essenziell ist, um die nötige Offenheit zu erreichen. Wenn Teams ihre Gedanken nicht nur offen austauschen, sondern auch gemeinsam daran arbeiten können, sind sie viel besser darauf vorbereitet, alle Herausforderungen zu meistern, die auf sie zukommen.

Die Frage, die im Raum steht

Während die psychologische Sicherheit in der Vergangenheit grundsätzlich dazu beigetragen hat, die Spreu vom Weizen guter Unternehmensführung zu trennen, so steht die Frage im Raum, ob diese zur Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft matchentscheidend und in einigen Bereichen gar überlebenswichtig wird. Wird Kultur nicht nur die Strategie zum Frühstück essen, sondern auch die digitale Transformation zum Lunch verspeisen und New Work mit dem Abendessen meistern?

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PS Lassen Sie sich von der Zukunft leiten - das Beste im Leben kommt noch.