Das Business vom Business ist Business, wirklich?

Meine Führungstrilogie – zweiter Teil «Diversität im Team»

Mein Credo beruht auf dem Grundsatz, dass gute Führung trotz der Vielfalt wertvoller Ansätze und Ratschlägen über Führungsstile keine Raketenwissenschaft ist. Am Ende des Tages müssen im Grunde «nur» drei Aspekte erfüllt sein, um erfolgreich zu sein. Klar kommt noch vieles dazu, aber wenn dieses ­­­«Gerüst» steht, kann eigentlich nichts schiefgehen:

  1. Ein gemeinsames Ziel (Sinn, Mission, Positionierung), mit dem sich alle im Führungsteam identifizieren und für das es sich einzusetzen lohnt.  
     
  2. Diversität im Team, erstens in Bezug auf Kernkompetenzen und Fähigkeiten, zweitens bezüglich Persönlichkeit und Charaktereigenschaften und drittens hinsichtlich äusserer Merkmale wie Geschlecht, Alter, Nationalität usw. Und das alles eingebettet in den Unternehmenskontext, um die Grundlage für einen wirklich nachhaltigen Ansatz zu schaffen.
     
  3. Psychologische Sicherheit, also ein kulturelles Umfeld, in dem jeder sich selbst sein kann, sich einbringt, offen seine Meinung äussert, sich und sein Team kennt, bei dem «die Masken gefallen sind» und man einander so nimmt, wie man ist.

Im ersten Teil meiner Führungstrilogie ging es um ein gemeinsames zukunftsfähiges Ziel. In diesem zweiten widme ich mich dem Punkt «Diversität im Team».

Milton Friedman’s Aussage «The business of business is business»

Dass «Unternehmen sich in erster Linie auf den Gewinn konzentrieren sollen» ist eine der meistzitierten Aussagen von Milton Friedmann, Nobelpreisträger und einer der bedeutendsten Wirtschaftswissenschafter überhaupt. Mit dieser Aussage aus den 1970er-Jahren hat er die Verantwortlichkeiten im Staat begründet:

  • Die angestellte Geschäftsleitung (CEO und sein Team) ist für das Geschäft und ihre Mitarbeiter verantwortlich, und soll damit möglichst viel Gewinn für die Besitzer generieren.
     
  • Die Besitzer (Aktionäre) entscheiden, wie sie den Gewinn verwenden, ob und wenn ja, welchen Beitrag an die Gesellschaft sie leisten wollen und welches ihre «Corporate Social Responsibility» ist.
     
  • Der Staat (Regierung) ist verantwortlich für die Gesellschaft und die Umwelt, erlässt die entsprechenden Gesetze und Regulierungen und zieht Steuern ein, um diese umzusetzen.

Diversität: Der Kitt zwischen Business und echter Nachhaltigkeit

Zunächst einmal: Ich bin ein absoluter Fan von Diversität, ich weiss zwar aus eigener Erfahrung, dass es nicht einfach ist, Diversität zu managen, aber ich weiss auch, dass es sich lohnt (hier schreibe ich darüber). Diversität führt nicht nur zu besseren Entscheidungen, sie erweitert darüber hinaus den eigenen Horizont, öffnet die Türe zu anderen Kulturen, fördert die Wertschätzung, die Demut und den Respekt gegenüber anderen Lösungen und die Erkenntnis, dass die eigene «Wahrheit» nicht per se die richtige sein muss sowie die Fähigkeit, zum Wohle des Ganzen Kompromisse einzugehen. Dabei möchte ich Diversität auf drei Ebenen unterscheiden:

  1. Diversität als Vielfalt und deren Inklusion, die in aller Munde ist. Es geht um Merkmale wie Geschlecht, Alter, Ethnie usw. und um deren Inklusion. Ich halte das für eine gute Grundlage, aber auch nicht für mehr als das. Ich brauche das nicht zu vertiefen, es gibt viele Studien, die belegen, dass diese Vielfalt zu besseren Entscheidungen führt, und keine mir bekannte, die zu einem anderen Schluss kommt.
     
  2. Diversität im Sinne der Persönlichkeit. Hier geht es um Kernkompetenzen, Fähigkeiten, Charaktereigenschaften usw. Ich halte diese Ebene für matchentscheidend für den Geschäftserfolg. Ein Team nur aus introvertierten, analytischen und konservativen Entscheidern wird wohl kaum je einen Markt rocken, und genauso sicher wird ein Team, das ausschliesslich aus mutigen, intuitiven und wenig reflektierten Entscheidern besteht, mit Sicherheit rasch gegen eine Wand laufen.  
     
  3. Diversität als Spiegel des Unternehmens. Kann man auf dem russischen oder japanischen Markt langfristig erfolgreich sein, ohne russische oder japanische Mitarbeiter im Top-Management? Oder ein Einkaufszentrum, das von einem Team von Finanzexperten geführt? Oder ein von Männern besetztes Team in einem Unternehmen für Damenmode? Oder ein Anbieter von Angelausrüstung ohne leidenschaftliche Angler? Wohl kaum, der Kontext des Unternehmens ist genauso wichtig!

Ich bin der dezidierten Meinung, dass das «richtige» Mass an Vielfalt dann erreicht ist, wenn ein Führungsteam das Unternehmen und sein Umfeld bestmöglich widerspiegelt und verkörpert und erstens die entscheidenden Kernkompetenzen aufweist, zweitens, aus verschiedenen Persönlichkeiten und Charakteren besteht und, drittens, so viele äussere Merkmale wie möglich abdeckt. Das ist der Schlüssel, um sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Unternehmens die nötige Glaubwürdigkeit zu erreichen und im Sinne einer echten Nachhaltigkeit die richtigen Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen.

Nachhaltigkeit und ihre drei Dimensionen: Mensch, Umwelt, Business

Irgendwann sind alle Ressourcen irgendwie beschränkt, deshalb sollte es ein natürliches, intrinsisches Gebot für alle sein, diese nicht zu verschwenden und so wenig wie möglich zu verbrauchen. Aber richtig interessant wird es erst, wenn man Ressourcen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit mit einbeziehen und in Einklang bringen will, die menschlichen, die natürlichen und die finanziellen; das ist es, was ich unter «echter» Nachhaltigkeit verstehe. Meiner Meinung nach ist es eine «falsche» Nachhaltigkeit, wenn man eine dieser drei Dimensionen weglässt. Es ist nicht nachhaltig, wenn ein Unternehmen sich «nur» um den Gewinn kümmert, seine Mitarbeiter vernachlässigt und keine Steuern bezahlt. Ebenso wenig nachhaltig ist es, die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter so fürstlich zu entlohnen, dass das Geschäft am Ende Konkurs geht.

Die Fragen, die sich stellen: Hat Milton Friedman mit seinem Ansatz recht oder sollten sich Unternehmen von sich aus, intrinsisch, an die echte Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen halten und, wenn ja, wie?

«Es ist kein Gegensatz, gute Geschäfte zu machen und ein gutes Unternehmen zu sein»

Dieses Credo hat Anders Dahlvig in seiner Zeit als CEO und Präsident (2000-2010) der IKEA-Gruppe eingeimpft. Für mich war es ein Augenöffner und eine Inspiration, die, wenn es nach mir ginge, auch für viele andere Unternehmen sein sollte. Lassen Sie mich den IKEA-Case erläutern:

  • Ein Teil der DNA: Nachhaltigkeit war bei IKEA von Anfang an Teil des Unternehmens und repräsentiert die Werte seines Gründers, Ingvar Kamprad, der sie eingeführt, vorgelebt und bis zu seinem Lebensende 2018 durchgesetzt hat. Er hat die «Idee IKEA» als Trinität (Dreieinigkeit) gesehen und festgehalten, dass ein erfolgreiches Unternehmen drei Dinge benötigt: einen Traum (Vision), und um diesen zu verwirklichen, einerseits ein Geschäftsmodell (Business-Idee) und andererseits Menschen, die diese umsetzen (HR-Idee). Er hat damit in seiner Wichtigkeit den Faktor Mensch dem Faktor Geschäft gleichgestellt. Dann, in seinem «Testament eines Möbelhändlers», hat er schon 1976 bestimmt, dass Gewinne in der Firma belassen werden, als Mittel, um die Zukunft möglichst selbst gestalten zu können. Er hat die Verschwendung von Ressourcen als Todsünde bezeichnet und so gleichzeitig dem Faktor Umwelt Rechnung getragen und die Kosten minimiert, um IKEA's Produkte für die Mehrheit der Menschen erschwinglich zu machen.
     
  • Die jahrzehntelange Konsequenz: Klar, auch IKEA hat Fehler gemacht und Rückschläge erlitten, aber wie das Unternehmen dem Grundsatz «sich möglichst auf sich selbst verlassen zu wollen» treu geblieben ist, ist beeindruckend. Von Beginn weg galten die Grundsätze, Möbelhäuser selbst zu besitzen, das Tempo der Expansion mit seinen eigenen finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen und immer eine hohe finanzielle Reserve für «regnerische Tage» zu halten. Später, 1991, nach dem Fall des «eisernen Vorhangs» hat der Konzern erstmals in die eigene Produktion investiert, einerseits, um wichtige Lieferanten aus Mittel- und Osteuropa nicht zu verlieren, aber auch, um selbst Produktions-Know-how aufzubauen und eigene Innovationen voranzutreiben. Dann, 2015, hat IKEA begonnen, Wälder zu akquirieren, um «eine verantwortungsvolle Forstwirtschaft zur Norm zu machen, die Entwaldung zu stoppen, die Artenvielfalt zu verbessern und die Menschen zu unterstützen, deren Lebensunterhalt von Wäldern abhängt» (und 2021 seine Ambitionen erhöht.)  Und zu guter Letzt ist das Unternehmen auf gutem Weg, sein Ziel zu erreichen bis 2030 in allen IKEA Betrieben auf 100% erneuerbare Energien umzusteigen (mehr darüber hier). Über Jahrzehnte hinweg hat IKEA seine Mittel konsequent für die Expansion seines Geschäfts sowie den Ausbau der Wertschöpfungskette des eigenen Kerngeschäfts und dessen echter Nachhaltigkeit eingesetzt, und ist nie der Versuchung erlegen, bedeutende finanzielle Mittel in betriebsfremde Bereiche zu investieren oder gar betriebsfremde Akquisitionen zu tätigen.

Dass dieser Ansatz sowohl strategisch als auch ökonomisch Sinn ergibt, ist offensichtlich: Inzwischen ist IKEA in der ganzen Wertschöpfungskette, von der Forstwirtschaft, der Produktion, der Energieherstellung und der Lieferkette bis zum Einzelhandel und dem kommerziellen Immobilienmarkt als bedeutender Marktteilnehmer vertreten, kann darauf Einfluss nehmen und ökonomische Entwicklungen in seiner eigenen Wertschöpfungskette mindestens zu einem Teil ausbalancieren. Ich behaupte, in Sachen Nachhaltigkeit ist IKEA dem Gros der multinationalen Unternehmen zehn, wenn nicht sogar 15 Jahre voraus. Etwas, dass gewissermassen als Nebeneffekt, seine Attraktivität sowohl bei seinen Kunden als auch auf dem Arbeitsmarkt beträchtlich steigert.

Lange Rede, kurzer Sinn – hier meine Zusammenfassung

  • Kerngeschäft: Meiner Meinung nach hat Milton Friedmann in dem Sinne recht, dass Business das wichtigste Business vom Business ist, nach wie vor.
     
  • Diversität: Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Führungsteam, welches das Unternehmen und sein Umfeld am besten widerspiegelt und verkörpert, die entscheidenden Kernkompetenzen aufweist, aus unterschiedlichen Persönlichkeiten und Charakteren besteht und viele verschiedene äussere Merkmale abdeckt, der wesentliche Schlüssel zur Führung eines Unternehmens ist, das sowohl erfolgreich als auch in allen drei Dimensionen echt nachhaltig ist. 
     
  • Echte Nachhaltigkeit: Ich überzeugt, dass wir 50 Jahre später an einem Punkt sind, an dem Friedmans strikte Aufgabentrennung nicht mehr ausreicht. Echte Nachhaltigkeit kann nicht einfach an den Staat delegiert werden, sondern ist eine Haltung, deren gesellschaftlicher Verantwortung sich Unternehmen annehmen sollten, und je grösser sie sind, desto mehr. Ich hoffe, mit dem IKEA-Case aufgezeigt zu haben, dass diese darüber hinaus ganz konkrete Wettbewerbsvorteile bringen kann, wenn sie intrinsisch und in allen Bereichen gelebt.

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PS Lassen Sie sich von der Zukunft leiten – das Beste im Leben kommt noch.