Die Arbeitswelt im digitalen Zeitalter

Change-Management ade – Willkommen in «New Work»

Für mich nahm das Thema «New Work» (in meiner damaligen Umgebung «Future of Work» genannt) zwischen 2016 und 2017 Gestalt an, als ich für die globalen Group Shared Services in IKEA verantwortlich war, und wir im Management Team begannen, die Transformation unserer Organisation aufzugleisen. Die im Raum stehende Frage: Wenn das eine traditionelle Change-Management Initiative mit einer Veränderung vom heutigen auf einen zukünftigen Status ist, wie sieht dann dieser neue Status aus, wenn er sich denn einmal abzeichnen und stabilisieren sollte?

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Nach unserem Strategic Foresight Projekt «Life@Group Shared Services 2030 - people, places, processes», das im Jahr 2017 stattfand (das war die Zeit, als Donald Trump seine Amtszeit mit dem Slogan «America first» begann, und als China globale Unternehmen mit der Einführung des Cybersicherheitsgesetzes herausforderte), sind wir von den folgenden drei Entwicklungen ausgegangen:

  • Die Automatisierung wird die Shared Service-Industrie umgestalten; Digitalisierung und Robotics sind wichtige Erfolgsfaktoren.
  • Nationalismus und Protektionismus werden zunehmen, was das Tempo der Automatisierung etwas verlangsamen und die Komplexität erhöhen wird.
  • Organisatorische Flexibilität wird zum Schlüsselfaktor, um sowohl die digitalen Chancen zu nutzen als auch auf die wachsenden nationalen Anforderungen zu reagieren.

Es war also schon damals kristallklar: Mit unserer Strategie 2018-2020+ streben wir keine Veränderung von A nach B an, sondern brechen in eine Welt des ständigen Wandels auf, die von der Technologie angetrieben wird. Und niemand kann vorhersehen, wie sie sich verändern und wann dieser Wandel enden wird, wenn überhaupt. Heute, fünf Jahre später, frage ich mich: Gibt es «Change-Management» im traditionellen Sinn überhaupt noch? Und wenn ja, sollten wir es dann nicht schleunigst auf den Scheiterhaufen der Geschichte verbannen und akzeptieren, dass uns der technologische Fortschritt in eine Welt des ständigen Wandels versetzt und unsere Energie dafür einsetzen, diesen epochalen Wandel positiv zu gestalten? Ich bin davon überzeugt, und «New Work» ist das Zauberwort dazu!   

Change-Management, Future of Work und New Work   

Ich versuche zunächst, diese drei Begriffe zu definieren:

  • Change-Management: Der Prozess, der die organisatorische Veränderung zum Ergebnis führt, von den frühesten Phasen der Konzeption und Vorbereitung über die Umsetzung bis hin zur Lösung. Dieser beinhaltet die folgenden fünf Schritte: Vorbereitung, Planung, Implementierung, Einbindung in die Organisationskultur, Überprüfung und Schlussanalyse (Quelle: Harvard Business School).
     
  • Future of Work: Eine Projektion, wie sich die Arbeit, die MitarbeiterInnen und der Arbeitsplatz in den kommenden Jahren entwickeln werden. Diese beinhalten die Dimensionen, «Wer macht die Arbeit?», «Wie wird sie ausgeführt?» und «Wann und wo wird sie verrichtet?» (Quelle: Society for Human Ressource Management).
    Anmerkung: Der Begriff «Future of Work» wird meist im angelsächsischen Raum verwendet.

     
  • New Work: Die neue Form des Arbeitens in der heutigen Gesellschaft im globalen und digitalen Zeitalter. Der Begriff wurde von Frithjof Bergmann geprägt und basiert auf seiner Idee, Raum für Kreativität und Selbstverwirklichung zu schaffen, das zu tun, was wirklich wichtig ist und der Menschheit die Möglichkeit zu geben, sich von der Lohnarbeit zu befreien (siehe: New Work New Culture: Work We Want and a Culture that Strengthens Us).
    Gemäss
    Nicole Thurn findet Bergmanns Gesellschafts-Utopie heute in der Realität kaum mehr Platz. Unternehmen nutzten «New Work» für allerlei Aktivitäten von oberflächlichem Marketing bis zu radikaler Transformation (von effizienteren Methoden, flexiblen Arbeitszeiten, mobilem Arbeiten über offene Kommunikation bis hin zum Führungskräfte- und Hierarchieabbau). Angesichts der Herausforderungen der Gegenwart geht es aber darum, eine wirklich neue Haltung zur Arbeit zu finden und «New Work» als Werte- und Bewusstseinswandel voranzutreiben.
    Anmerkung: Der Begriff «New Work» wird meist im deutschsprachigen Raum verwendet.

Warum die Zeiten von Change-Management vorbei sind    

Die Erklärung ist ganz einfach: Weil in der heutigen vulnerablen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt der Endpunkt der Veränderung nicht bekannt ist und nicht beschrieben werden kann. Er lässt sich nicht definieren, aber wir erkennen die Richtung. Wir haben eine Vorstellung davon, wohin die nächste Etappe führt. Jedoch wissen wir auch, dass die Reise dort nicht zu Ende ist und wir erst dann über die nächsten Schritte entscheiden können. Stehenzubleiben und abzuwarten, ist keine Option. Dadurch würden wir angesichts der technologischen Entwicklung hoffnungslos abgehängt werden.

Change-Management wird auf der persönlichen Ebene oft in drei Phasen beschrieben: erstens das Loslassen vom Status quo, zweitens die unsichere Zeit in der neutralen Zone und drittens der Beginn des Neuanfangs auf einer neuen Ebene. Bildlich wird dazu oft die Metapher des Trapez-Künstlers genutzt. Gutes Change-Management wird damit beschrieben, die Menschen auf das Loslassen vorzubereiten und dazwischen in der unsicheren Flugphase gut zu begleiten, sodass sie sicher am neuen Trapez landen. Mir kommt es so vor, als stünden wir auf dem Podest: Das alte Trapez in der Hand haltend, aber das neue ist nicht klar sichtbar – wir wissen nicht, wann und wo genau es kommt. In dieser Situation ist es nicht sinnvoll, zu springen. Tun wir es trotzdem, schaukeln wir nur hin und her. Change-Management hilft nicht, neue Ansätze sind gefragt!  

Und was hat das mit New Work zu tun?

Ahnen wir es nur, oder wissen wir es schon? Wir sind wohl in der Epoche angekommen, in der es nicht um weniger, aber auch nicht um mehr als die Frage geht, wie wir die Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen im digitalen Umfeld bestmöglich gestalten. Und dabei geht es nicht nur um Technologie, es geht genauso um Führung, um die MitarbeiterInnen, die Organisation, und wenn man den Gedanken weiterführt, auch um den Einfluss auf die Unternehmenskultur und, zu Ende gedacht, um Sinnhaftigkeit, um Purpose.

Meine eigene Definition von «New Work»: Die Antwort auf die Frage, wie die Unternehmenswelt auf die Digitalisierung und die technologische Entwicklung reagiert und die Arbeitswelt neu gestaltet.

In einem sehr lesenswerten Artikel hat Nicole Thurn die folgenden fünf fundamentalen Merkmale von «New Work» benannt und zusammengefasst:

  1. Entgrenzung der Arbeit: Arbeiten, wann, wo und wie man will – In der digitalen Wissensgesellschaft bröckeln die Mauern zwischen Job und Privatleben zusehends (Stichwort Homeoffice), dazu sehen wir eine Aufweichung der Grenzen zwischen Anstellung und Selbstständigkeit (und zusehends auch einen Mix davon), und auch in den Organisationen selbst verstärkt sich der Trend vom Hierarchieabbau hin zu fluiden Projektteams, in denen man sich nicht nur austauscht, sondern effektiv zusammenarbeitet (Stichwort Co-creation).
     
  2. New Leadership: Eine neue Art von Chefs – «Command and Control» hat ausgedient. Die Pyramide – ganz oben der CEO, ganz unten die MitarbeiterInnen – wird mit «New Work» auf den Kopf gestellt. Der Führungsstil «Servant Leadership» verbreitet sich. Führungskräfte «dienen» den MitarbeiterInnen, damit diese bestmöglich, motiviert und gesund arbeiten. Es geht nicht mehr in erster Linie um Kontrolle, die Kommunikation findet viel eher kollegial auf Augenhöhe statt.
     
  3. «Ich» und «Wir»: Beides zählt – In der neuen Arbeitswelt werden sowohl das Individuum als auch die Gemeinschaft wichtiger. Die Einsicht wächst, dass das Wohl des Einzelnen auf der einen Seite und das Wohl der Gesamtheit (Team, Unternehmen, Gesellschaft) auf der anderen einander nicht ausschliessen, sondern bedingen.
     
  4. Kollaboration: Zusammenarbeit auf neuem Level – In der heutigen, vulnerablen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt kommen wir mit einfachen Lösungen oft nicht mehr weiter. Innovation wird überlebensnotwendig, der interdisziplinäre Austausch wird immer wichtiger. Wir sehen vermehrt etwa Innovations-Teams aus Konzernen in Coworking Spaces mit Freelancern und Start-ups zusammenarbeiten.
     
  5. Reifeprozess: Persönlichkeitsentwicklung für alle – Um «New Work»-Massnahmen umzusetzen, sind reife Persönlichkeiten gefragt mit Fähigkeiten wie Selbstverantwortung, Veränderungsbereitschaft, Mut und Lust am Ausprobieren. Das wiederum bedeutet für das eigene Denken und Verhalten, die eigenen Emotionen und die Kommunikation voll verantwortlich zu sein und wirklich «erwachsen» zu werden.

Falls Sie tiefer in die Thematik eintauchen wollen, in diesem Post hat Nicole Kopp, eine Top-Expertin zum Thema, die Liste ihrer 21 besten Bücher zu «New Work» geteilt.

Eigentlich geht es um Zukunftsfähigkeit

Zurück zu unserer Shared-Services-Transformation und den eigentlichen Treibern dieser Entwicklung: der Digitalisierung und Automatisierung. Wir wussten, dass Robotics der nächste Schritt ist, aber wir wussten nicht, was danach kommen würde. Heute sind wir bei der KI angelangt: Es geht darum, den nächsten Schritt mit generativer Künstlicher Intelligenz zu gestalten. Weiss jemand, was genau dabei herauskommt? Nein. Ist es eine Option, abseits zu stehen? Nein. Gilt es jetzt, sofort alles auf den Kopf stellen? Auch nein. Aber eine Strategie zurechtzulegen, wie diese Entwicklung zu nutzen und zu gestalten ist, ist unabdingbar. Es ist völlig klar: Eine Strategie, ohne den Approach zu KI festzulegen, ist weder verantwortungsvoll noch nachhaltig und schon gar nicht zukunftsfähig. Und es geht wie bereits erwähnt um weit mehr als um Technologie. Was bedeutet es für das Kerngeschäft? Was für die MitarbeiterInnen? Und was für all die anderen Funktionen? 

Die nächste Frage: Ist das Ende absehbar? Auch hier ist die Antwort klar: Nein. Niemand kann vorhersagen, wie lange die Reise geht. Die nächste Entwicklung zeichnet sich schon ab am Horizont, langsam, aber unübersehbar: Das Metaverse. Gemäss einer Delphi Studie des Copenhagen Institute for Futures Studies (CIFS) vom März 2023 über die Entwicklung des Metaversums ist es absehbar, dass «im Jahr 2030 die virtuelle und die physische Welt so verschmolzen sein dürften, dass wir in unserem Alltag frei zwischen ihnen navigieren können, da AR- und VR-Technologien zugänglicher und erschwinglicher werden, und die Nutzer sich immer wohler und sicherer fühlen, wenn sie in digitale Welten eintauchen». Gibt es konkrete Schritte, welche für den Aktionsplan 2023 und 2024 deswegen einzuplanen sind? Nein, darum geht es nicht. Es geht darum, das Thema Metaverse auf den Radar zu kriegen, die Entwicklung zu verfolgen, aufmerksam zu sein und Vorkehrungen zu treffen, um dann bereit zu sein, wenn es darum geht, die Segel zu setzen. Mit dieser Entwicklung vor Augen werden Sie zum Beispiel schon heute eine andere Diskussion zum Thema «Arbeit von zu Hause - Arbeit im Büro» haben.  

Das sind meine drei Botschaften zum Thema New Work

  • Wir stehen eher am Anfang als am Ende der Epoche der Neugestaltung der Arbeitswelt, bei der es um die Neuordnung der Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen geht. Es hat mit der Digitalisierung begonnen. Robotics und Blockchain waren entsprechende neue Technologien, heute ist es die generative Künstliche Intelligenz und am Horizont wirft bereits das Metaverse langsam, aber unübersehbar seine Schatten voraus.
     
  • Wir müssen aufpassen, dass «New Work» nicht zu einem Hype wird. Es darf kein Modewort für alles und jedes werden. Themen wie Arbeitsmotivation (quiet quitting), Führungsstile, Empathie, Agilität, Flexibilität, Produktivität und emotionale Intelligenz, Beispiele, denen heute nur allzu gerne das Etikett «New Work» angehängt wird, sind eigenständige Themen, sie sind nicht neu. Natürlich haben sie mit der Art und Weise zu tun, wie wir arbeiten. Aber wenn plötzlich alles als «New Work» definiert ist, ist eigentlich nichts mehr «New Work» und es ist nur noch ein Hype. Das wäre schade. Die Art und Weise, wie wir die digitale Arbeitswelt gestalten, ist zu wichtig und zu faszinierend, als dass wir sie mit allem Möglichen und Unmöglichen verwässern sollten.
     
  • Letztendlich geht es bei diesem Thema um Zukunftsfähigkeit. Strategic Foresight ist das beste Werkzeug, eine Strategie für ein komplexes Thema wie «New Work» von Beginn weg aufzugleisen. Sie kristallisiert die strategisch wichtigen und zukunftsweisenden Elemente heraus, individuell auf die Bedürfnisse und Herausforderungen jedes Unternehmens ausgerichtet. Und sie bringt zweitens das Team zusammen, «New Work» mit einem gemeinsamen Approach zu gestalten, statt ständig und uneinig den Veränderungen hinterherzurennen.

Mein Weg zur Strategic Foresight erfolgt über die beiden Schritte Zukunftsscreening (ein Tag mit den Verantwortlichen) und den Strategic Foresight Workshops (drei bis fünf Tage für alle Teilnehmer) plus Vor- und Nachbearbeitung. Möchten Sie mehr darüber erfahren? Dann vernetzen Sie sich mit mir auf LinkedIn oder buchen Sie ein unverbindliches Kennenlerngespräch.

PS Lassen Sie sich von der Zukunft leiten – das Beste im Leben kommt noch.