Strategic Foresight Projekt-Follow-up

Gehen Sie heute mit mir «Zurück in die Zukunft»!

Hand aufs Herz, wie viele Visionen über die Zukunft haben Sie sich schon zu Gemüte geführt und wie oft haben Sie später ein Follow-up gesehen oder gemacht? Wenn nie, dann sind Sie in guter Gesellschaft. Wir lieben es, die Welt von morgen zu erklären, aber kaum jemand verifiziert das später in irgendeiner Form. «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!» soll der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer dazu gesagt haben. Schliesslich könne einen niemand daran hindern, klüger zu werden und heute alles besser zu wissen.

Trotzdem mache ich heute genau das, nicht (nur), weil ich (wie immer) aussergewöhnlich sein will, sondern um den Wert einer systematischen strategischen Vorschau besser zu veranschaulichen. Den unmittelbaren Impuls dafür habe ich letzte Woche erhalten, als ich in Polen mein ehemaliges Führungsteam von IKEA’s Global Business Services getroffen habe und eine Kollegin, die heute noch im Führungsteam und in der Leitung der Transformation ist, Folgendes gesagt hat: «Du, ich bin letzthin unsere Szenarien ‹Life@IKEA Group Shared Services 2030› durchgegangen, sie sind immer noch sehr relevant und heute noch eine Inspiration.» Wenn ich jetzt verrate, dass wir diese Szenarien 2017 für die Strategie der Geschäftsjahre 2018 bis 2020+ gemacht haben, dann dürfen Sie jetzt ruhig überrascht sein, oder zumindest hellhörig werden …

Life@Group Shared Services 2030 – People, Places, Processes

So hiess der Titel unseres Strategic Foresight Projektes. Als neu zusammengesetztes Führungsteam hatten wir die Aufgabe, den nächsten Schritt in IKEA’s Shared Services zu machen und die beiden eher unabhängigen Shared Service Zentren (SSC) in Polen und China in eine echte, globale Organisation zu entwickeln und darin auch das nordamerikanische HR Service Center aufzunehmen. Eine perfekte Ausgangslage, um strategische Massnahmen im Einklang mit externen Megatrends zu ergreifen und gleichzeitig das Führungsteam auf denselben Kenntnisstand zu bringen und gemeinsam die strategische Ausrichtung zu verantworten. Wir haben das Unterfangen in Zusammenarbeit mit dem Copenhagen Institut for Futures Studies (CIFS) durchgeführt und vier Szenarien entwickelt, die auf den beiden wichtigsten Unsicherheiten basieren und wir in folgendem zwei-mal-zwei Raster dargestellt haben:

grafik-deutsch


Blenden wir kurz zurück: 2017 war die Automatisierung und ihr Einfluss auf die Arbeitsmärkte in aller Munde, in Amerika hat Donald Trump seine Präsidentschaft mit dem Slogan «America First» begonnen und in China hat die Einführung des Cybersicherheitsgesetzes, also ein einheitliches Regelwerk für Cybersicherheit und Datenschutz in China, die globalen Unternehmen herausgefordert. Bei Foresight Projekten ist die Wahl der Unsicherheiten für die Relevanz der Szenarien entscheidend. Auch, so ist es meine Erfahrung, hilft es der späteren Strategie, wenn eine davon unternehmensintern und die andere extern ist, weil es dadurch den Fokus sowohl auf die Organisation als auch auf die bedeutenden externen Megatrends richtet. Für unser Projekt war es klar, dass die Automatisierung/Digitalisierung keine Unsicherheit, sondern einen für alle Szenarien relevanten Megatrend darstellt, der erst am Anfang seiner Entwicklung steht. Für uns waren die matchentscheidenden Fragen, ob

  • Group Shared Services wächst und intern ein Schlüsselteil von IKEA’s Transformation wird.
  • die Globalisierung zurückbuchstabiert und vermehrt regionale und lokale Gesetze dominieren.

Auf dem höchsten Abstraktionsgrad sind wir von folgenden drei Entwicklungen ausgegangen:

  1. Die Automatisierung wird die Shared Service-Industrie umgestalten, Digitalisierung und Robotics sind wichtige Erfolgsfaktoren.
     
  2. Nationalismus und Protektionismus werden zunehmen, was das Tempo der Automatisierung etwas verlangsamen und die Komplexität erhöhen wird.
     
  3. Organisatorische Flexibilität wird zum Schlüsselfaktor, um sowohl die digitalen Chancen zu nutzen als auch auf die wachsenden nationalen Anforderungen reagieren zu können.

Wie es sich im Rückblick zeigt, war die Wahl der Unsicherheiten praktisch perfekt und die drei externen Entwicklungen haben die Entscheidungsträger für die wirklich relevanten Fragen sensibilisiert. Deshalb sind die Szenarien heute, fünf Jahre später, natürlich weiter fortgeschritten, aber «aktueller» denn je: Geopolitisch geht die Entwicklung weit über «erhöhte Komplexität» hinaus, sämtliche Technologien in allen Märkten einzuführen, ist nicht mehr möglich. Wer die Digitalisierung und Robotics in den letzten Jahren nicht auf dem Radar hatte, ist mit den jetzigen Themen der künstlichen Intelligenz und dem Metaverse völlig abgehängt, und aus dem Schlüsselfaktor «organisatorische Flexibilität» ist eine eigentliche Revolution unter dem Titel «Future of Work» oder «New Work» entstanden.      

Von den Szenarien zur Strategie

Aufgrund der Einschätzung aller involvierter Teilnehmer war logischerweise «Ready for You!» das Wunschszenario, aber «Havana Club» wurde als das wahrscheinlichste angesehen. Der Titel symbolisiert übrigens, dass auch in einem vollständig regulierten Umfeld wie Kuba ein von Konsumenten weltweit geschätztes Produkt wie «Havana Club» entstehen kann. In die Strategieentwicklung sind insgesamt 9 strategische Vorgaben eingeflossen, woraus ein Leitbild entstanden ist, 10 strategische Ziele für 2020+ festgelegt und diese für die Kommunikation zu 3 (+2) übergeordneten Zielen zusammengefasst wurden.

Um einerseits einen Teaser zu geben und andererseits die Strategie nicht offenzulegen, nenne ich hier drei Beispiele der strategischen Vorgaben, je eine aus den Teilbereichen «People», «Places» und «Processes». Zur Erinnerung vorneweg – diese Einschätzungen stammen aus dem Jahr 2017:

  • People – Fachkräftemangel: Aufgrund der Megatrends waren alle (externe Experten sowie interne Entscheidungsträger) überzeugt, dass die Branche vor einem riesigen Fachkräftemangel (Stichwort «war of talents») steht.  Unsere Massnahmen in diesem Bereich waren dementsprechend stark und sehr solide. Wir konnten IKEAs globale Bekanntheit und die gute Position auf dem Arbeitsmarkt in allen unseren Standorten gewinnbringend ausspielen. Dies ist ein exzellentes Beispiel, den Wert der strategischen Vorschau aufzuzeigen. Durch unsere Antizipation haben wir diesen Bereich gestaltet, statt wie die meisten unserer Mitkonkurrenten spät und im Reaktionsmodus beantwortet.
     
  • Places – New Work: Wir haben schon damals die folgenden drei Schlussfolgerungen gezogen
    - digitale Lösungen werden die Zusammenarbeit im Büro und von ausserhalb ermöglichen.
    - aktivitätsbasierte Arbeitsbereiche im Büro sind nötig und wichtig (aktiv, ruhig, ...).
    - es braucht eine Neudefinition, wie wir als Individuen zusammenarbeiten.
    Aus heutiger Sicht tönt das nicht (mehr) revolutionär, aber der Umstand, dass diese Denkweise seit 2018 ein strategischer Ansatz war, hat beispielsweise dazu geführt, dass unsere Mitarbeiter in Shanghai, schon lange bevor COVID ausgebrochen ist, einige Tage von zu Hause aus gearbeitet haben. Alle technischen und organisatorischen Voraussetzungen waren eingeführt und beim COVID-Ausbruch mussten wir «lediglich» den Homeoffice Teil auf 100 % erhöhen und eine neue Kommunikation zwischen den Mitarbeitern, dem Gruppenleiter und dem Management finden. Was für ein Unterschied zu den meisten Organisationen, die fast im Panikmodus von einem auf den anderen Tag alles aufbauen mussten! 
     
  • Processes – Digitalisierung und End-to-End-Prozesseffizienz: Diese wurden als die beiden hauptsächlichen Erfolgsfaktoren identifiziert und das Bewusstsein geschaffen, dass intern das Zusammenspiel zwischen Prozessverantwortlichen, IT, Dienstleistungszentren und anderen internen Stakeholdern, sowie die Offenheit für externe Allianzen absolut matchentscheidend sein wird. Unter anderem deshalb wurde dann Group Shared Services organisatorisch neu aufgestellt.     

Langer Rede, kurzer Sinn …

Dieses Beispiel bestätigt die Value Proposition für Strategic Foresight exemplarisch:       

  • Die strategischen Elemente, die eine Strategie zukunftsfähig machen, werden herauskristallisiert.
  • Das Team gestaltet die Zukunft, statt sich ständig und uneinig den Veränderungen anzupassen.

Ich persönlich werte den zweiten Teil fast noch höher ein als den ersten. Letzte Woche habe ich wiederum ein Beispiel erlebt, dass selbst 5-6 Jahre nach deren Entwicklung die Zukunftsbilder (Szenarien) und die Erkenntnisse von «Life@Group Shared Services 2030 – People, Places, Processes» bei den Teilnehmern weiterleben und, in aufdatierter Form, die Strategieentwicklung selbst unter neuer Führung und in völlig veränderter Organisationsstruktur beeinflusst. Das bekräftigt meine These:

Eine Strategie, die auf einer gut gemachten Strategic Foresight basiert, ist unbezahlbar!

Habe ich Sie inspiriert? Sie können sich gerne mit mir auf LinkedIn vernetzen und austauschen oder direkt ein unverbindliches Kennenlerngespräch buchen.  

PS Lassen Sie sich von der Zukunft leiten – das Beste im Leben kommt noch.