Zukunftsfähiges Führen in stürmischen Zeiten

Schlechte Zeiten sind gute Foresight Zeiten

Mit den Herbstquartalsabschlüssen 2023 sind die meisten Unternehmen dabei, ihre Budgets für 2024 zu verabschieden oder haben dies kürzlich abgeschlossen. Dabei zeigt sich, dass sowohl der kurzfristige Konjunkturausblick für 2024 als auch die langfristige Grosswetterlage angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen alles andere als rosig sind. Die USA sind tief gespalten und Europa ist uneins über Fragen der Verschuldung und der Energie- und Flüchtlingskrise. Dazu kommt neben dem Konflikt in der Ukraine, den viele als Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland wahrnehmen, nun auch der terroristische Angriff der Hamas auf Israel, was jederzeit zu einem Flächenbrand im Mittleren und Nahen Osten führen kann.

Warum steht nun dieser Artikel unter dem Titel «Schlechte Zeiten sind gute Foresight Zeiten»? Ganz einfach: Wenn die Sonne scheint, die Wirtschaft wächst und keine gröberen Konflikte anstehen, dann ist eine strategische Vorschau auf 3-5 Jahre weniger wichtig. Dann geht es auch für die Unternehmen mit kurzfristig orientierten «Schönwetter-Kapitänen» bergauf. Anders verhält es sich in Krisenzeiten, wenn Gewitter aufziehen und der Gegenwind bläst. Dann trennt sich die Spreu vom Weizen und es zeigt sich, welche Unternehmen zukunftsfähig sind, und welche nicht. Wie geht zukunftsfähiges Führen in stürmischen Zeiten? Davon handelt der heutige Blogartikel.

Die globale Grosswetterlage gemäss der Weltbank

«Die Weltwirtschaft befindet sich nach wie vor in einer prekären Lage, da die sich überlagernden negativen Schocks der Pandemie, Russlands Einmarsch in die Ukraine und die drastische Straffung der Geldpolitik zur Eindämmung der hohen Inflation anhaltende Auswirkungen haben. Es wird erwartet, dass sich das globale Wachstum in der zweiten Hälfte dieses Jahres deutlich abschwächt und sich die Schwäche bis 2024 fortsetzt. Der Inflationsdruck hält an, und es wird zu erwarten sein, dass die straffe Geldpolitik die Wirtschaftstätigkeit erheblich belastet. Die jüngsten Spannungen im Bankensektor in den Industrieländern werden die Konjunktur wahrscheinlich auch durch restriktivere Kreditvergaben dämpfen. Die Möglichkeit, dass sich die Turbulenzen im Bankensektor ausweiten und die Geldpolitik straffer wird, könnte zu einem noch schwächeren globalen Wachstum führen. Steigende Finanzierungskosten in den entwickelten Volkswirtschaften könnten zu finanziellen Verwerfungen in den anfälligeren Schwellen- und Entwicklungsländern führen. Vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen ist die Haushaltslage zunehmend kritisch.»

Diese Einschätzung stammt von der Weltbank und ist auf den Juni 2023 datiert, also noch vor dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel, der die Lage zweifellos zusätzlich verschärft. Auch wenn sich der Bericht nur bis 2024 äussert, so ist es klar, dass sich die Lage nach der Pandemie nicht beruhigt, sondern im Gegenteil die Unsicherheit verstärkt hat, und die Konjunkturaussichten wohl über eine längere Zeit trüben werden.

Wie ist mit anstehenden Turbulenzen umzugehen?

Zunächst: Krisenjahre sind genauso natürlich wie Boomjahre. Schon in der Bibel steht die Geschichte von den sieben mageren Jahren, welche den sieben fetten folgen. Eine Erzählung, die lange auch für die Beschreibung von Konjunkturzyklen benutzt wurde. Wirtschaftlich stürmische Zeiten sind kein neues Phänomen, es hat sie schon immer gegeben und daran wird sich wohl nie etwas ändern. Dazu kommt, dass jeder Abschwung und jede Rezession einmal zu Ende gehen, und dass sich danach Gewinner und Verlierer herauskristallisieren. Was ist der Schlüssel, welcher die Spreu vom Weizen trennt, wer sind die Krisengewinner und wer die Krisenverlierer?

Eigentlich sind es dieselben Massnahmen und Eigenschaften wie in «friedlichen» Jahren, nur dass die Konsequenzen und Auswirkungen viel ausgeprägter sind. Für die Führung ist es in diesen Zeiten umso wichtiger, einen klaren Kompass zu haben, insbesondere:

  • Strategische 3- oder 5-Jahres-Ziele, welche mittels Strategic Foresight zukunftsfähig sind
  • Eine zukunftsgerichtete, rollierende Planung, welche sich möglichst rasch den Realitäten anpasst
  • Eine breite Abstützung der Ziele, d.h. möglichst viele Mittelmanager, welche die strategische Ausrichtung verinnerlicht und nicht nur das Dokument gelesen haben
  • Klarheit über die Prioritäten, also darüber, was erste, was zweite und was dritte Priorität ist

Diese Punkte sind immer wichtig, aber in Krisenzeiten können sie überlebenswichtig werden. Deshalb sind meist diejenigen Unternehmen Krisengewinner, welche eine klare strategische Ausrichtung und eine längerfristige, gewünschte Positionierung haben. Nur, und ich habe es in meiner Kariere selbst erlebt: In Krisenzeiten genügt das nicht. Da können sich Dynamiken entwickeln, deren Folgen schwierig abzusehen sind und sich viel stärker als gewohnt auswirken. Auch reagieren die Manager in ungewohnten Zeiten unterschiedlich. Einige treffen früh Massnahmen, andere warten länger zu. Und was bei mangelnder Vorbereitung fast unisono der Fall ist: Es werden zuerst diejenigen Massnahmen ergriffen, welche möglichst rasch umgesetzt sind und eine kostensparende Wirkung haben. So werden oft Reisetätigkeiten eingestellt, Mitarbeiter-Ausbildungen gestrichen, Beratermandate ausgesetzt, externe Kompetenzen nicht angeheuert, sondern in-house entwickelt, usw. Statt die Massnahmen einem der strategischen Ziele auf der Prioritätenliste anzupassen, wird meistens das getan, was am einfachsten umsetzbar ist und Kosten reduziert. Im Sinne einer zukunftsgerichteten Entwicklung wäre es zielführender, folgende Überlegungen anzustellen, falls die wirtschaftlichen und finanziellen Ziele nicht erreicht werden:

  • An welchen Plänen gilt es, unbedingt festzuhalten und welche könnten verschoben werden?
  • Welche Massnahmen sollen zuerst und welche erst zuallerletzt ergriffen werden?
  • Wie stellt man sicher, dass sämtliche alle Unternehmensteile einheitlich agieren?

Wer aus diesen Fragen einen Notfallplan erarbeiten will, kann dies offensichtlich nur tun, wenn Einigkeit über längerfristige strategische Ziele besteht. Wenn es um diese Fragen geht, ist ein denkbar schlechter Moment, die strategische Zielsetzung nachzuholen. Ich benutze oft das Bonmot «Wenn Du nicht weisst, wo Du hinwillst, wundere Dich nicht, wenn Du irgendwo sonst landest». Das bringt es auch hier auf den Punkt.

Warum sind schlechte Zeiten gute Foresight Zeiten?

Lassen Sie es mich zusammenfassen:

  1. Strategic Foresight stellt sicher, dass das Unternehmen zukunftsfähig ist und einerseits die für die Zukunft relevanten Elemente Teil der Strategie sind, andererseits Einigkeit in der Führung besteht, welche Szenarien wünschenswert sind.
     
  2. Die daraus abgeleitete Strategie und der Plan-to-Perform Prozess stellen sicher, dass die strategischen Ziele zukunftsfähig und im Führungsteam breit abgestützt sind und deren Umsetzung zukunftsgerichtet sicherstellt.
     
  3. Daraus lässt sich schon im Vorfeld ein logischer Notfallplan erstellen, inklusive einem Wichtigkeitsranking der geplanten Investitionen und Projekte und einer Liste dazu, welche Sparmassnahmen in erster und welche in letzter Priorität erfolgen sollen.

Wer keine zukunftsfähigen, längerfristigen Ziele hat und stattdessen mit einer jährlichen Planung operiert, stösst bei der Gestaltung eines Notfallplans sehr bald an seine Grenzen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass es in einem solchen Unternehmen zu unkoordinierten Massnahmen kommt, welche nicht harmonisiert sind und sich in der Konsequenz gar widersprechen.

Das Beispiel IKEA

Ich möchte diesen bisher theoretischen Blog mit dem praktischen Beispiel von IKEA abschliessen:

IKEA hat als Voraussetzung seit Jahrzehnten dieselbe klare Vision, Mission (Geschäfts-Idee) und HR-Ausrichtung (HR-Idee), welche in einem Wertekonzept eingebettet sind (IKEA-Kultur). Darüber hinaus hat das Unternehmen immer längerfristige strategische Programme entwickelt, welche mit grossem Aufwand im ganzen Unternehmen verankert und eingeführt wurden. In den Jahren 2000-2010 war das ein 10-Jahres-Programm, dann für 2010-2015 ein 5-Jahres-Programm und seither operiert das Unternehmen mit 3-Jahres-Programmen.

Aus der Vergangenheit hat IKEA gelernt, in den Jahren unmittelbar nach einer wirtschaftlichen Baisse nachhaltig Marktanteile zu gewinnen. Wie und warum? Erstens, weil IKEA möglichst wenige Mitarbeiter abgebaut hat und im Vergleich zur Konkurrenz beim Aufschwung personell gut gesetzt war und vergleichsweise wenig neue, unerfahrene Mitarbeiter entstellen musste. Zweitens, weil die Lagerbestände am Ende eines Abschwungs übervoll statt ausgedünnt waren.

Basierend auf dieser Erkenntnis hat die Konzernleitung Anfang der Nullerjahre ein Massnahmenpapier (für die Zeit des 10-Jahres-Plans) ausgearbeitet, mit einem verbindlichen Plan, bei jeweils wie viel % Rückstand auf das Cashflow-Ziel welche Projekte zurückgestellt werden und bei welchem Niveau welche Kostennassnahmen ergriffen bzw. nicht ergriffen werden. Ein Stopp der Ausbildung von Mitarbeitenden war sehr weit unten (also spät) angesiedelt und Personalabbau quasi als Ultima Ratio. Dies geschah neben dem genannten Grund auch in Übereinstimmung mit der Firmenkultur.

Ich glaube (oder weiss) nicht, ob dieses Papier jemals formell erneuert wurde, aber als Richtschnur haben diese Beschlüsse über die Jahre gehalten und sich bewährt. IKEA ist dadurch praktisch aus jeder Krise gestärkt hinausgekommen und hat sich als ständiger Krisengewinner etabliert.

Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Wie geht Ihr Unternehmen mit der jetzigen Situation um? Möchten Sie mehr erfahren? Kommentieren Sie, vernetzen Sie sich mit mir auf LinkedIn oder schreiben Sie mir eine entsprechende Nachricht.

PS Lassen Sie sich von der Zukunft leiten - das Beste im Leben kommt noch.