Consultant, Berater, Coach oder Mentor?

Die Welt braucht mehr Sparring Partner!

In einer Unternehmenswelt, in der überall Begriffe wie Consultant, Berater, Coach und Mentor auftauchen, fällt es oft schwer, klare Unterscheidungen zu treffen. Deshalb beginnen wir am besten mit den Definitionen, welche ich in gekürzter Form von hier übernehme:

 

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  • Ein Consultant verfügt über Ressourcen, Expertenwissen und -erfahrung und bietet professionelle Dienstleistungen an, um unsere eigenen Bemühungen zu ergänzen. Sein Fokus ist es nicht, unsere Fähigkeiten zu verbessern, sondern Arbeit zu erledigen, ohne dass wir das selbst tun müssen.
     
  • Ein Berater besitzt spezifisches Fachwissen, Erfahrung oder Verbindungen, die uns auf eine ganz besondere Weise helfen können. In der Regel wird vom Berater keine Arbeit erwartet. Er bietet sein Wissen, einen Teil seiner Zeit und den Zugang zu seinem Netzwerk an. Anders als ein Coach, der Fragen stellt und viel zuhört, stellt der Berater nur wenige Fragen und redet viel.
     
  • Ein Coach arbeitet mit einem Kunden zusammen, um das Potenzial des Kunden zu entfalten und dessen Leistung zu verbessern. Der Coach hat nicht notwendigerweise alle Antworten, und der Coach erledigt nicht die Arbeit für ihn. Er bringt eine unvoreingenommene und emotionslose Perspektive ein und bietet Einblicke, Verbindlichkeit und Unterstützung, sodass der Kunde selbst seine Ziele erreicht.
     
  • Ein Mentor hat zu seinem Mentee eine Beziehung, die anders ist als jede andere berufliche oder persönliche Verbindung. Ein Mentor kümmert sich um die Entwicklung eines Mentees, ohne eigene Absichten zu verfolgen. Auch wenn es in Unternehmen und in Hochschulen Mentor-Programme gibt, so sind sie meist persönlicher Natur und ohne Entschädigung.

So weit, so gut. Jede einzelne Definition an und für sich ist klar. Schaut man aber alle vier an, dann fühlt sich die Überscheidung gross an und entsprechend schwammig werden die Begriffe. Dazu kommt, dass keine dieser vier als Berufsbezeichnung in irgendeiner Art geschützt ist, und jeder und jedes Institut sie für sich in Anspruch nehmen kann. Es ist kein Scherz, ich habe einige Stunden damit verbracht, welches meine richtige Bezeichnung ist, als ich mich mit der Selbstständigkeit befasst habe: Consultant, Berater oder Coach? Irgendwann fühlte ich mich mit dieser Frage überfordert und habe mich «Consultant, Berater & Coach» genannt. Mir ist es egal, unter welchem «Titel» ich meine Dienstleistungen erbringe, das Einzige, was am Ende zählt, ist das Ergebnis, und zwar vom Kunden bewertet.

Meine Erfahrung und Meinung zur Beratungsindustrie

Ich habe viele Erfahrungen mit Consultants und Beratern. Im Rechts- und Steuerbereich nennen sie sich meistens Berater, in allen anderen Bereichen eher Consultants. In meiner Wahrnehmung ist es dasselbe, die begriffliche Unterscheidung verstehe ich nur in der Theorie, praktisch sind alle spezialisiert auf einen bestimmten Bereich und bringen ihr Wissen in Sitzungen, Telefonaten, und am Schluss fast immer mit etwas Schriftlichem ein (Gutachten, PowerPoint). Im Folgenden möchte ich drei Aspekte beleuchten:

  • Zweck: Natürlich geht es hauptsächlich darum, Spezialwissen in einem gewissen Bereich einzukaufen. Gesetzgebungen und Steuerregulierungen, gerade im internationalen Business, sind von Allroundern nicht mehr zu bewältigen. Dasselbe gilt bei der Digitalisierung, wer kann hier ohne Spezialwissen am Ball bleiben? Aber gleichzeitig geht es auch um den Namen und die Reputation des Beraters: Das Gutachten eines renommierten Beratungsfirma hat bei Behörden einen viel höheren Stellenwert als genau das gleiche Gutachten von einem firmeneigenen Spezialisten, weil dies eine Drittmeinung mit dem Gütesiegel einer Beratungsfirma ist. Aber auch intern ist es ähnlich: Dem Board eine Transformation ohne Einbezug und Segen einer renommierten Consultingfirma zu präsentieren und abgesegnet zu erhalten, ist genauso schwierig!  
     
  • Qualität: Hier gibt es, nicht überraschend, alles: von exzellent bis ungenügend. Ich habe mir im Verlauf der Jahre die Gewohnheit angeeignet, Consultants und Berater in zwei Gruppen einzuteilen: Einerseits die «tatsächlichen Experten», also diejenigen, die einen Bereich wirklich kennen, sich über Jahre und mit Leidenschaft vertieft damit auseinandergesetzt haben und sich jeder Frage mit Tiefgang auseinandersetzen können. Andererseits die «ausgebildeten Experten», also diejenigen, die ihren Bereich erst theoretisch kennen und angelerntes Wissen weitergeben. Man erkennt sie daran, dass sie mit standardisierten Checklisten/Fragen arbeiten und diese unglaublich umfangreichen, mit allen gängigen Schlüsselwörtern vollgepferchten Slides erstellen. In der Regel genügt es, bei 2-3 Schlüsselwörtern nachzufragen, was diese im konkreten Fall bedeuten, um sie als ausgebildete Experten zu identifizieren. In diesen Fällen weiss ich: der Wert ihrer Arbeit ist es, gängiges Wissen zusammenzufassen und mir eine Übersicht zu geben, ohne dass ich mich selbst ausbilden oder mich in die gängige Literatur vertiefen muss. Um aber darauf eine nachhaltige Lösung aufzubauen, dafür genügt es dann in aller Regel nicht.
     
  • Kosten: Meine Meinung ist klar. Tatsächliche Experten sind fast unbezahlbar, ihr Wert ist immens und lässt sich kaum in Zahlen ausdrücken. Wenn sie zum Beispiel für die Neuausrichtung oder die Automatisierung eines Geschäftsbereiches von Anfang an die richtigen Prozesse, Systeme und Software einsetzen und sich eine nachhaltig funktionierende Lösung ergibt, was ist das wert verglichen zu einem auf Halbwissen basierenden Konzept, dass Sie in die Irre führt und deren «Reparatur» danach unsäglich viel Zeit und Geld kostet? Oder wenn Sie in einem neuen Land eine Firma gründen, juristisch und steuerlich von Anfang alles richtig machen, volle Compliance aufweisen und die Lösung zu Ihrer Firmenkultur passt? Unbezahlbar!
    Auf der anderen Seite: Die ausgebildeten Experten sind sehr teuer, rein inhaltlich zu teuer. Es sind immer mindestens zwei Hierarchiestufen involviert, erstens jemand, der das Gutachten verfasst und zweitens jemand, der es absegnet. Manchmal, wenn der absegnende Berater auch «nur» ein ausgebildeter Experte ist, sind gar drei Berater auf drei Stufen involviert. Und weil dem Kunden in der Regel alle Stunden verrechnet werden, zahlt er gewissermassen einen Teil der internen Weiterbildung. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass sich jemand nur durch Erfahrung vom ausgebildeten zum tatsächlichen Experten entwickeln kann und dass der Kunde den Wert oft im Logo auf dem Briefkopf sieht.

Mit Coaches habe ich auch meine Erfahrungen, allerdings nicht in dem Umfang, dass ich eine fundierte Meinung zur Branche allgemein abgeben könnte. Nur so viel: Ich halte nichts vom Coaching Bashing und Slogans wie «Wer nichts wird, wird Coach». Der Wert gerade eines Coaches wird einzig und allein vom Kunden beurteilt. Ich gratuliere jedem Coach, der seinen Bereich oder seine Nische findet und erfolgreich eine Kundenbasis aufzubauen vermag. Es ist ein sehr hart umkämpfter Markt, und wer sich hier behauptet, der muss sich täglich aufs Neue beweisen.

Ich bin selbst einmal «offiziell» Mentor in einem IKEA-Programm gewesen, mit dem auserwählte Talente im Unternehmen unterstützt worden sind. Wir Mentoren wurden von den Mentees ausgewählt, den Unterschied zum Coaching habe ich so in Erinnerung, dass wir ihnen jeweils zur Verfügung standen, aber die Initiative vom Mentee auszugehen hatte. Auch wenn es erfolgreich war, wurde dieses Programm nicht wiederholt, die Ergebnisse sind sehr individuell, kaum mess- und auswertbar.

Warum und wie ich zum Sparring Partner mutiert bin

Erst als ich meine Neupositionierung aufgegleist und mich vertiefter mit meiner Rolle auseinandergesetzt habe, bin ich auf den Sparring Partner gestossen. Hier zunächst zur Definition:

  • Beim Sparring geht es um das argumentative und freundschaftliche Ringen um die beste Lösung, einen definierten Zustand oder ein definiertes Ziel zu erreichen. Wörtlich bedeutet Sparring «sich mit jemandem auseinanderzusetzen». Der Begriff kommt aus dem Boxsport.
     
  • Der Sparring Partner will den Athleten, im Businessbereich den Kunden, so fit wie möglich machen, sodass er im Wettbewerb besteht. Keine Gutachten verfassen, nicht daneben stehen und kluge Ratschläge erteilen, nein, die Extrameile gehen und im Training mit dem Kunden auf der Matte stehen (zum Beispiel einen Workshop moderieren), ihn herausfordern und unterstützen, zum Beispiel die Rolle des Gegenspielers vertreten, eine kritische Haltung zu einem Lösungsansatz übernehmen oder den «Advocatus Diaboli» spielen und so das Konzept herausfordern. Aber immer darauf fokussiert, dass der Kunde am Schluss «fit» ist und im besten Licht erscheint. In diesem Sinn ist ein Sparring Partner gewissermassen Berater, Consultant und Coach in Personalunion!

Bei mir hat das sofort geklickt: «Das passt, das bin ich». Also:

Warum ich Sparring Partner geworden bin: Die Welt ist volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig. Gerade wer sich mit der Zukunft beschäftigt, kann nicht aufgrund einer Ferndiagnose remote ein Gutachten erstellen oder eine Empfehlung abgeben. Die Auseinandersetzung mit dem Kunden und seiner konkreten Situation in seinem konkreten internen und externen Umfeld ist matchentscheidend. Fragen, Erkenntnisse, Antworten und Rückfragen müssen hin und her und Einsichten und Provokationen von ausserhalb des Unternehmens einfliessen. Nur so kann der Zukunft in der heutigen komplexen und disruptiven Welt Rechnung getragen werden.

Ein Strategic Foresight Projekt zum Beispiel, so wie ich es angehe, besteht aus 5 Workshop Tagen (2 Tage «Open the Future», 1 Tag «Structure the Future» und 2 Tage «Imagine the Future»). Dazu rechne ich 15 Tage für Vorbereitung, Austausch, Nachbearbeitung und die Ausarbeitung des Endergebnisses. Ich stelle sicher, dass die «richtigen» externen Experten und Inputs einfliessen, leite und moderiere den Prozess so, dass die Teilnehmer selbst relevante und qualitativ gute Szenarien entwickeln, sich daraus die Strategieelemente herauskristallisieren, die für eine zukunftsfähige Strategie entscheidend sind und dass die Teilnehmer bereit sind, die Zukunft im Gestaltungsmodus in Angriff zu nehmen.

Wie ich meine Rolle sehe: Der Schlüssel zum Erfolg ist, dass ich als Sparring Partner über die Zeit des Projektes in die Welt des Kunden eintauche, mich intensiv mit den Repräsentanten des Unternehmens auseinandersetze und so die für ihn individuell relevanten Szenarien und Schlussfolgerungen ermögliche, Extrameile inklusiv. Es genügt nicht, mit einem Papier oder einer PowerPoint abzuschliessen. Erfolgreich ist ein Projekt nur dann, wenn der Kunde selbst «fit» ist, seine Zukunft zu gestalten und er den Wert des Projektes, unabhängig vom Preis, als unbezahlbar bewertet.

Was sind Ihre Erfahrungen mit Consultants, Beratern, Coaches und Mentoren? Was halten Sie vom Konzept des Sparring Partner? Ihr Feedback interessiert mich, sei es als Kommentar, mit einer Vernetzung auf LinkedIn oder bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch.

PS Lassen Sie sich von der Zukunft leiten – das Beste im Leben kommt noch.